BWV 201 Geschwinde, ihr wirbelnden Winde
  Der Streit zwischen Phoebus und Pan
Momus (S), Mercurius (A), Tmolus (T.I), Midas (T.II), Phoebus (B.I), Pan (B.II)
  
1. Coro
Tromba I-III, Tamburi, Flauto traverso I/II, Oboe I/II, Violino I/II, Viola, Continuo
Geschwinde,
Ihr wirbelnden Winde,
Auf einmal zusammen zur Höhle hinein!
    Dass das Hin- und Widerschallen
    Selbst dem Echo mag gefallen
    Und den Lüften lieblich sein.
  
2. Recitativo B.I B.II S
Continuo
Phoebus
Und du bist doch so unverschämt und frei,
Mir in das Angesicht zu sagen,
Dass dein Gesang
Viel herrlicher als meiner sei?
Pan
Wie kannst du doch so lange fragen?
Der ganze Wald bewundert meinen Klang;
Das Nymphenchor,
Das mein von mir erfundnes Rohr
Von sieben wohlgesetzten Stufen
Zu tanzen öfters aufgerufen,
Wird dir von selbsten zugestehn:
Pan singt vor allen andern schön.
Phoebus
Vor Nymphen bist du recht;
Allein, die Götter zu vergnügen,
Ist deine Flöte viel zu schlecht.
Pan
Sobald mein Ton die Luft erfüllt,
So hüpfen die Berge, so tanzet das Wild,
So müssen sich die Zweige biegen,
Und unter denen Sternen
Geht ein entzücktes Springen für:
Die Vögel setzen sich zu mir
Und wollen von mir singen lernen.
Momus
Ei! hört mir doch den Pan,
Den großen Meistersänger, an!
  
3. Aria S
Continuo
Patron, das macht der Wind.
Dass man prahlt und hat kein Geld,
Dass man das für Wahrheit hält,
Was nur in die Augen fällt,
Dass die Toren weise sind,
Dass das Glücke selber blind,
Patron, das macht der Wind.
  
4. Recitativo A B.I B.II
Continuo
Mercurius
Was braucht ihr euch zu zanken?
Ihr weichet doch einander nicht.
Nach meinen wenigen Gedanken,
So wähle sich ein jeder einen Mann,
Der zwischen euch das Urteil spricht;
Lasst sehn, wer fällt euch ein?
Phoebus
Der Tmolus soll mein Richter sein,
Pan
Und Midas sei auf meiner Seite.
Mercurius
So tretet her, ihr lieben Leute,
Hört alles fleißig an
Und merket, wer das Beste kann!
  
5. Aria B.I
Flauto traverso I, Oboe d'amore I, Violino I/II, Viola con sordino, Continuo
Mit Verlangen
Drück ich deine zarten Wangen,
Holder, schöner Hyazinth.
Und dein' Augen küss ich gerne,
Weil sie meine Morgensterne
Und der Seele Sonne sind.
  
6. Recitativo S B.II
Continuo
Momus
Pan, rücke deine Kehle nun
In wohlgestimmte Falten!
Pan
Ich will mein Bestes tun
Und mich noch herrlicher als Phoebus halten.
  
7. Aria B.II
Violino I/II, Continuo
Zu Tanze, zu Sprunge, so wackelt das Herz.
Wenn der Ton zu mühsam klingt
Und der Mund gebunden singt,
So erweckt es keinen Scherz.
  
8. Recitativo A T.I
Continuo
Mercurius
Nunmehro Richter her!
Tmolus
Das Urteil fällt mir gar nicht schwer;
Die Wahrheit wird es selber sagen,
Dass Phoebus hier den Preis davongetragen.
Pan singet vor dem Wald,
Die Nymphen kann er wohl ergötzen;
Jedoch, so schön als Phoebus' Klang erschallt,
Ist seine Flöte nicht zu schätzen.
  
9. Aria T.I
Oboe d'amore I, Continuo
Phoebus, deine Melodei
Hat die Anmut selbst geboren.
Aber wer die Kunst versteht,
Wie dein Ton verwundernd geht,
Wird dabei aus sich verloren.
  
10. Recitativo B.II T.II
Continuo
Pan
Komm, Midas, sage du nun an,
Was ich getan!
Mydias
Ach, Pan! wie hast du mich gestärkt,
Dein Lied hat mir so wohl geklungen,
Dass ich es mir auf einmal gleich gemerkt.
Nun geh ich hier im Grünen auf und nieder
Und lern es denen Bäumen wieder.
Der Phoebus macht es gar zu bunt,
Allein, dein allerliebster Mund
Sang leicht und ungezwungen.
  
11. Aria T.II
Violino I/II, Continuo
Pan ist Meister, lasst ihn gehn!
Phoebus hat das Spiel verloren,
Denn nach meinen beiden Ohren
Singt er unvergleichlich schön.
  
12. Recitativo S A T.I B.I T.II B.II
Continuo
Momus
Wie, Midas, bist du toll?
Mercurius
Wer hat dir den Verstand verrückt?
Tmolus
Das dacht ich wohl, dass du so ungeschickt!
Phoebus
Sprich, was ich mit dir machen soll?
Verkehr ich dich in Raben,
Soll ich dich schinden oder schaben?
Mydias
Ach! plaget mich doch nicht so sehre,
Es fiel mir ja
Also in mein Gehöre.
Phoebus
Sieh da,
So sollst du Eselsohren haben!
Mercurius
Das ist der Lohn
Der tollen Ehrbegierigkeit.
Pan
Ei! warum hast du diesen Streit
Auf leichte Schultern übernommen?
Mydias
Wie ist mir die Kommission
So schlecht bekommen!
  
13. Aria A
Flauto traverso I/II, Continuo
Aufgeblasne Hitze,
Aber wenig Grütze
Kriegt die Schellenmütze
Endlich aufgesetzt.
Wer das Schiffen nicht versteht
Und doch an das Ruder geht,
Ertrinket mit Schaden und Schanden zuletzt.
  
14. Recitativo S
Violino I/II, Viola, Continuo
Du guter Midas, geh nun hin
Und lege dich in deinem Walde nieder,
Doch tröste dich in deinem Sinn,
Du hast noch mehr dergleichen Brüder.
Der Unverstand und Unvernunft
Will jetzt der Weisheit Nachbar sein,
Man urteilt in den Tag hinein,
Und die so tun,
Gehören all in deine Zunft.
Ergreife, Phoebus, nun
Die Leier wieder,
Es ist nichts lieblicher
Als deine Lieder.
  
15. Coro
Tromba I-III, Tamburi, Flauto traverso I/II, Oboe I/II, Violino I/II, Viola, Continuo
Labt das Herz, ihr holden Saiten,
Stimmet Kunst und Anmut an!
Lasst euch meistern, lasst euch höhnen,
Sind doch euren süßen Tönen
Selbst die Götter zugetan.

Besetzung Soli: S A T.I T.II B.I B.II, Coro: S A T.I T.II B.I B.II, Tromba I-III, Tamburi, Flauto traverso I/II, Oboe I/II, Oboe d'amore, Violino I/II, Viola, Continuo
Entstehungszeit 1729
Text Christian Friedrich Henrici 1732
Anlass unbekannt
Diskussion Aryeh Oron Julian Mincham

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Created by Walter F. Bischof