BWV 494 | O liebe Seele, zieh die Sinnen |
1. |
O liebe Seele, zieh die Sinnen von schnöder Welt- und Wollust ab, so ruft dein Schöpfer von der Zinnen der hohen Himmelsburg herab. Er zeigt dir Wege und schöne Stege, auf welchen du dich recht kannst laben und alles haben, worinnen deine Seele findet Ruh. |
2. |
Betrachte nur des Schöpfers Güte und siehe seine Wunder an, die izto in der schönsten Blüte des Jahres sich herfürgetan. Las deine Augen was Gutes saugen sich aufwärts kehren, aus jedem Blatt. Komm, lass dich lehren von Halm und Ähren, ob man nicht Ursach Gott zu preisen hat. |
3. |
Gott hat dich ja für andern Tieren mit aufgerichtem Angesicht und mit Verstande wollen zieren, dass deiner Seel und Augenlicht die Welt nicht achte, vielmehr betrachte, was himmlisch ist, und dessen Ehre allzeit vermehre, der dich zu seinem Bilde hat erkiest. |
4. |
Pflegt nicht ein jedes Blatt zu preisen den, der es weislich vorgebracht und dich zum Schöpfer hin zu weisen, wenn sie der Westwind redend macht? Sieh, wie die Ähren sich aufwärts kehren, den Fingern gleich, und wollen zeigen, auch nicht verschweigen den, der sie also macht an Körnern reich. |
5. |
Die Blumen, die schon teils vergangen als Bilder der Vergnüglichkeit, teils noch im Feld und Gärten prangen sind alle auf sein Lob bereit, es muss die Farben ein König darben in seiner Pracht, aus einer Erden, wie mag dies werden, sind mehr als tausend Arten vorgebracht. |
6. |
Darunter will ein jeder lehren, wie Gott allgegenwärtig sei, wie Herz und Sinn zu ihm zu kehren, wie Weltlust nur sei lauter Spreu, die bald verschwindet, sobald sich findet ein rauher Nord, da sonst, wenn Christen fliehn von den Lüsten, der Himmel allzeit bleibt ihr sichrer Port. |
7. |
Die weiße Lilie und Narzisse zeigt Adams Fall und Missetat, da Satan unter seine Füße das Kleid der reinen Unschuld trat Mensch, du sollt streben nach reinem Leben und nach dem Bild, das du verloren, eh du geboren, damit der Zorn des Höchsten werd gestillt. |
8. |
Ja, sprichst du, wer kann also leben, wer wollte sich in solche Not und aller Menschen Spott begeben? Du aber wisse: Wie kein Kot von Wurm und Fliegen auf uns bleibt liegen, so ist es auch. Wirst du Gott lieben wird dein Betrüben gar bald verschwinden wie ein leichter Rauch. |
9. |
Die Tulipan zeigt ihre Farben komm, Mensch, bespiegle dich in mir; ich habe zwar, was andre darben doch stell ich meine Art auch für: In wenig Jahren muss ich erfahren, wie nichts besteht, wie alles Prangen so bald vergangen und wie von schöner Pracht nichts Süßes geht. |
10. |
So, Mensche, bist du auch beschaffen, dein Herz will ohne Einfalt sein, du willst allzeit der Welt nachaffen, was sie verdammt, das nimmst du ein. Allein bedenke, wie sehr es kränke den, der dich liebt, dass er muss sehen dich schnell vergehen, weil keinen guten Gruch dein Leben gibt. |
11. |
Das Veilgen heißt dich Demut üben, weil Gott dich sonst nicht riechen kann, weil er die Demut sehr tut lieben, so schlägt sein Blitz bei Zedern an. Es steht mit Hohne die Kaiserkrone und wird veracht', weil wenig Kräfte und Lebenssäfte aus ihren Blättern werden vorgebracht. |
12. |
Und so gibt jedes gute Lehren, wenn du nur suchst, wies billig ist, das Lob des Höchsten zu vermehren, nicht aber weltgesinnet bist. Merke das eine, was ich itzt meine ist nützlich satt: Blumen verderben, drum lerne sterben, wohl dem, der dieses wohl studieret hat. |
Besetzung | Continuo |
Entstehungszeit | 1736 |
Bemerkungen | Schemelli Gesangbuch Nr. 575, NBA Nr. 42 |
Bach Cantata Page Text provided by Joachim Vogelsänger |